Vorteile der Mykorrhiza-Symbiose bei Trockenheit

In den Zeiten des Klimawandels sind wir immer stärker auf die Leistungen der Bäume angewiesen. Dies gilt für eine globale Betrachtung und gleichermaßen im kommunalen als auch im privaten Bereich. Nur vitale Bäume können den wachsenden Anforderungen gerecht werden. In Jahren mit Hitzerekorden und langen Dürren und in den Folgejahren kam es (und kommt es) zu vielfältigen Schädigungen, die die Leistungen herabsetzen oder sogar zum Absterben von Bäumen führen.

Schon vor ca. 200 Millionen Jahren ist es zu Baum-/Pilz-Symbiosen bei Kiefergewächsen und
frühen Blütenpflanzen gekommen. Die Pilzpartner gehörten zu den Schlauch- und Städerpilzen. Diese Symbiosepartner stammen genetisch von Pilzen ab, die organische Stoffe abbauen, nicht von parasitischen Pilzen, die Schäden hervorrufen könnten. Seither stabilisieren sich diese Lebensgemeinschaften in zumeist umfangreichen Netzwerken sehr erfolgreich, wobei die Verbesserung der Wasser- und Nährstoffaufnahme für die beteiligten Gehölze eine zentrale Rolle spielt.

Wässerung im Forst und in der Baumpflege
Baumbestände zu erhalten oder neu zu begründen wird schwieriger. Im Forst müssen Jung- und Altbäume in der Regel mit dem auskommen, was der Standort hergibt. Wässerungen sind (fast) ausgeschlossen. Im kommunalen Bereich, in Grünanlagen oder auch an Straßen wäre eine Versorgung mit Wasser theoretisch dauerhaft möglich. In der Praxis beschränkt sich dieses aber auf die Fertigstellungspflege und die Entwicklungspflege (insgesamt drei Jahre) – danach muss/soll das Gehölz eigenständig funktionieren. Die Wässerung ist im FLL-Regelwerk (Baumpflanzung Teil 1) geregelt. Nach dem durchdringenden Anwässern bei der Pflanzung „… ist in der Vegetationsperiode (April bis September) bei anhaltender Trockenheit (ab 10 Tage ohne Niederschlag), bei erhöhten Temperaturen und bei ersten Anzeichen von erschlaffenden Blättern zu wässern. Es sind für die ersten drei Jahre pro Jahr 8 bis 16 Bewässerungsgänge mit 75 bis 100 l Wasser je Durchgang (für Hochstämme bis 25 cm STU) vorzusehen.

Nach drei Jahren endet die Entwicklungspflege und der Baumeigentümer sollte dann mindestens für weitere zwei Jahre die Wässerung sicherstellen. Die Empfehlungen für Baumpflanzungen sehen nämlich einen Zeitraum von 5 Standjahren für die regelmäßige Wässerung vor. Da diese Leistung aber nur selten vergeben wird und die Kommunen selbst kaum in der Lage sind die Wassergaben durchzuführen, kommt es in dieser Zeit – aber auch noch danach - zu Trockenschäden und Ausfällen. Wasserspenden durch Anlieger oder auch Feuerwehreinsätze sind in diesem Zusammenhang leider häufig nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sollten aber keinesfalls unterbleiben, weil hiermit in der Bevölkerung ein entsprechendes Bewusstsein für den Baum geschaffen wird.

Die Wasserversorgung der Pflanze durch Mykorrhiza
Dass die Wasserversorgung von Pflanzen nur über die Wurzelhaare und die Rhizodermiszellen der Feinwurzeln erfolgt stimmt nicht einmal für 10 % der Landpflanzen. Über 90 % leben in Pilz-Wurzel-Symbiosen in denen die Pilzpartner diese Leistung zum größten Teil übernehmen. Durch hormonelle Unterdrückung wird bei Ektomykorrhizapilzen die Ausbildung von Wurzelhaaren sogar aktiv verhindert, so lassen sich z.B. an Buchen oder Eichen an Waldstandorten kaum einmal Wurzelhaare finden.

Feinstwurzeln (< 0,5 mm Durchmesser) können in größere Bodenhohlräume eindringen – wenn sie vorhanden sind – und dort mit Wurzelhaaren ((Ø ca. 0,01 mm) aus Grobporen (Ø 0,05 – 0,01 mm) Wasser aufnehmen. Pilzhyphen, die fadenartigen Zellen der Pilze, sind hingegen meistens nur 0,002 bis 0,003 mm dick und können daher auch einen Teil der Mittelporen (Ø 0,01 – 0,0002) erschließen.

Dies ermöglicht Pilzen, und damit dem Baum, die Nutzung von Haftwasser (pF 2,5 – 4,2), was der Pflanze ohne Unterstützung nicht möglich ist. Rund 30 % mehr Wasser aus dem Nahbereich der Wurzeln wird so verfügbar – allein diese Zusatzversorgung kann schon über eine Schädigung oder sogar das endgültige Verwelken entscheiden. Noch deutlich größer wird der positive Effekt durch das „extraradikale Myzel“, dies sind Pilzhyphen außerhalb der Wurzel, die sich von den Mykorrhizen ausgehend im umgebenden Boden verbreiten. Mykorrhiza mit extraradikalem Myzel und Rhizomorphen (Pinirhiza discolor an Pinus sylvestris) (Agerer 1987-2012)

Dieses Pilzgeflecht vergrößert die äußere, aufnahmefähige Oberfläche der Wurzeln erheblich und vervielfacht die Aufnahmefähigkeit für Wasser und Nährstoffe. Für Endomykorrhiza-Pilze sind 12 cm und in einigen Fällen sogar über 25 cm Abstand zur Wurzel nachgewiesen. Für Ektomykorrhiza bildende Pilzarten werden Ausbreitungstypen unterschieden, die verschieden weite Distanzen - bis zu 10 cm - überbrücken. Bündeln sich die feinen, fadenartigen Hyphen zu Hyphenverbänden (Rhizomorphen) können diese oft mehrere Dezimeter oder sogar Meter in den Boden hineinreichen. In weitreichenden Gebilden können dann Hyphen aus dem zentralen Bereich ihren Durchmesser erheblich vergrößern und Querwände ganz oder teilweise auflösen, so dass sie in Form und Funktion Pflanzenwurzeln ähneln. In solchen Transport-Rhizomorphen ist die Fließgeschwindigkeit für Wasser und Nährstoffe deutlich erhöht. Auch Pilzarten ohne weitreichende Hyphen können Trockenstress mindern, beispielsweise gelingt dies Cenococcum geophilum, der im Hyphenmantel in gelatinösen Zellen Wasser speichern kann. Durch die Symbiosepilze wird die Wurzel zudem angeregt vermehrt Wurzelspitzen auszubilden, dies führt dann zu weiteren Besiedlungen auch durch Mykobionten (Pilzpartner) anderer Arten. Ausbreitung von Mykorrhizapilz-Hyphen und Rhizomorphen auf einem flach ausgeschütteten Substrat (Foto: Agerer)


In intakten Waldökosystemen ist der Mykorrhizabesatz an den Feinwurzeln häufig sehr umfangreich. Dort können z. B. an einer Eiche 20 oder 30 verschiedene Pilzarten als Symbionten nachgewiesen werden. Eine einzige Pappel kann sogar gleichzeitig mit Hunderten von Pilzarten eine Symbiose eingehen. Diese Vielfalt zusammen mit den umfangreichen Vernetzungen ermöglicht wahrscheinlich, dass sich kooperative Systeme langfristig neben parasitären Systemen durchsetzen können. In diesen Netzwerken können Sämlinge schon mit einbezogen und mit „erwachsenen“ Bäumen verbunden werden.

Ausblick
Im Rahmen des Klimawandels werden wir immer mehr auf die Leistungen der Pflanzen und insbesondere der Gehölze angewiesen sein. Deren Resilienz (Fähigkeit, schwierigen Lebenssituationen ohne anhaltende Beeinträchtigung zu überstehen) zu erhalten oder besser noch zu steigern, wird – so haben es die letzten trockenen Sommer gezeigt – eine Kernanforderung an unseren Arbeitsbereich werden. Hierzu sollte auf das enorme Potential der Mykorrhizapilze nicht verzichtet werden, denn, was seit 200 Millionen Jahren in der Natur erfolgreich ist, sollte man auf keinen Fall unterschätzen!

Die ungekürzte Fassung aus dem Jahrbuch der Baumpflege 2020 zum kostenlosen Download. Zur Verfügung gestellt vom Autor: Dr. Jürgen Kutscheidt.

 

Bildquelle: GEFA Fabritz