Lass regnen – das Grundstück ist präpariert

Von Klaus W. König. Die täglichen Pressemeldungen zum Klimawandel beunruhigen die einen und nerven die anderen. Im Alltag helfen sie nicht weiter. Und doch – vergleichen wir Siedlungsgebiete vor 30 Jahren mit heute – sind Dachbegrünung, Photovoltaik, Regenwassernutzung und -versickerung selbstverständliche Arbeitsfelder im Handwerk geworden. Wenn aus politischen Konzepten und Beschlüssen funktionierende Anlagen werden, kommen wir voran. Das heißt, Erfolge beim Stadtklima sind abhängig von den Fachbetrieben und deren Mitarbeitern. Dieser Beitrag zeigt Zusammenhänge und Beispiele im Umgang mit Regenwasser.

Die Regenwasserbewirtschaftung kann eine recht trockene Angelegenheit werden, wenn es mal wieder 6 Wochen lang nicht regnet, wie in den Jahren 2018-2020 und 2022. Dann sind kleine Regenspeicher leer und extensiv begrünte Dächer trocken. Doch klimawirksame Stadtquartiere haben zusätzliche Bausteine.

Anhaltende Niederschläge
Fehlt der Regen wie 2018 im Norden und Osten Deutschlands sogar 6 Monate lang, dann fällt das Laub frühzeitig von den Bäumen, dann nehmen bestimmte Pilze sowie Schädlinge überhand. Saftige Wiesen verwandeln sich in dürre Steppen. Mit dem sinkenden Wasserpegel in Rhein, Main und Neckar sind im Oktober 2018 sogar die Preise für Benzin und Heizöl in Süddeutschland kräftig gestiegen. Damit haben die wenigsten gerechnet – doch in leeren Flüssen können keine vollen Tankschiffe fahren. Es gab also viele Gründe, sich anhaltende Niederschläge herbeizuwünschen.

Kommt der ersehnte Regen endlich und fällt er dann heftig, setzt sich die Tragödie fort: Der durchgetrocknete Boden kann die Wassermenge kaum aufnehmen. Denn erst in gut durchfeuchtetem Zustand entspricht die sogenannte Infiltrationsrate (Sickergeschwindigkeit) dem kf-Wert, mit dem die Ingenieure die Wasserdurchlässigkeit des Untergrundes berechnen. Wünschen wir uns also nach einer Trockenperiode drei Tage Nieselregen – selbst wenn der Durst unserer Gärten, Parks und Außenanlagen groß ist. Sonst folgt auf die Dürre gleich das andere Extrem, die Überflutung.

Begrünte Lärmschutzwand
Die Stadt Großsachsenheim im Norden Stuttgarts hat im Untergrund ein Depot mit 75 Kubikmeter Regenwasser. Das wird benötigt für eine im Jahr 2015 erstellte 100 Meter lange und komplett begrünte Lärmschutzwand – die viele Vorzüge gegenüber herkömmlichen Lösungen aus Stahl, Beton oder Glas hat: Das Regenwasser des dahinter liegenden Wohnquartiers wird zur Bewässerung der Lärmschutzwand genutzt. Damit sparen die Bewohner der Siedlung Niederschlagsgebühren. Außerdem absorbiert die Begrünung Schall, statt ihn zu reflektieren und filtert Feinstaub.

Sie ist ein Habitat für Kleintiere, wandelt Kohlendioxid in Sauerstoff um und kühlt im Sommer durch Evapotranspiration. Der Begriff steht für Verdunstung sowohl aus der Pflanze als auch aus dem feuchten Substrat heraus. Die Anerkennung der Naturschutzbehörde als Ausgleichsmaßnahme wegen all dieser Vorzüge soll der Vollständigkeit halber ebenfalls erwähnt werden. Für eine nicht begrünte Konstruktion hätte im Sinne des Bundesnaturschutzgesetzes ein zusätzlicher Ausgleich geschaffen und bezahlt werden müssen.

Nachhaltig optimieren
Beschattung durch lebendiges Grün und Kühlung durch Verdunstung von Regenwasser - beides hilft, Gebäude und Stadtteile natürlich zu klimatisieren, urbane Hitze zu verringern. Die Dach- und die Fassadenbegrünung sind, wie bei der Lärmschutzwand, dafür ideal geeignet. Aus diesem Grund will Stuttgart mehrere Wohn- und Gewerbequartiere im Nordwesten der City in Bezug auf Stadtklima nachhaltig optimieren. Und Hamburg hat eine Gründachstrategie entwickelt. Das Ziel ist, möglichst alle technisch dafür geeigneten Dachflächen in grüne Niederschlagspuffer zu verwandeln.

Regenwasser muss künftig länger in der Stadt bleiben und gefahrlos durch die Methoden der Regenwasserbewirtschaftung mit den Aspekten Umweltschutz, Lebensqualität, Stadtklima und Überflutungsschutz verknüpft werden. Diese neue Aufgabe beschäftigt mittlerweile Stadt- und Regionalplaner europa- und weltweit. In Deutschland spüren wir die Auswirkungen schon. So sehen sich Haus- und Grundbesitzer zunehmend mit Auflagen und Kosten konfrontiert:
• Bei Neubau hängt die Baugenehmigung von entsprechenden Regenwasserbewirtschaftungs-Maßnahmen ab.
• Bei bestehenden Gebäuden geben die ständig steigenden Niederschlagsgebühren Anlass, über eine alternative Regenentwässerung nachzudenken.

Ausreichend Wasser
Doch auch von Investoren kommen Impulse. Wo sie große Immobilien und Stadtquartiere finanzieren, wünschen sie immer häufiger, das Projekt auf Nachhaltigkeit z. B. von der DGNB zertifizieren zu lassen. Dafür sind Lösungen im Umgang mit Regenwasser von Vorteil. Überflutungsvorsorge bei Starkregen in Verbindung mit Regenrückhaltung und Gebäudebegrünung lassen sich vor allem im öffentlichen Raum kombinieren. Zu ebener Erde, im Straßenraum, werden Pflanzensysteme als klimatisch ausgleichende Elemente etabliert: Baumalleen mit Gehölzen, die unter den urbanen Bedingungen gedeihen. Grundvoraussetzung ist natürlich wieder ausreichend Wasser, idealerweise Regenwasser.

Wasser für die Wurzeln
Es kommt von den Fahrbahnen und Gehwegen, wird mit Hilfe von bewachsenen Sickermulden oder technischen Filtern von Schadstoffen befreit und in Rigolen eingeleitet. Diese Rigolen halten Wasser für die Baumwurzeln bereit. Der Überschuss an Niederschlagswasser versickert. Im Zuge von ohnehin fälligen Straßenbauarbeiten bieten sich die besten Möglichkeiten für den Einbau solcher Baumquartiere und Rigolen.

Wollen wir irgendwann spürbare Fortschritte im Stadtklima, brauchen wir deutlich mehr Verdunstung über Gebäude- und Straßenraumbegrünung. Gleichzeitig gilt es, den natürlichen Wasserkreislauf in der Erde zu unterstützen, sinkende Grundwasserspiegel auszugleichen. Dafür bedarf es der Versickerung von unbelasteten Niederschlägen, die von wasserdurchlässig befestigten Flächen stammen und direkt durch die Fugen und die Bettung des Belags sickern.

Grün- und Verkehrsflächen
Solche Flächen sind z. B. Gehwege, Fahrzeugstellplätze, Innenhöfe ohne seitliche Grünflächen. Gutachten dazu haben schon vor einem Jahrzehnt bestätigt, dass das dauerhaft alleine über die Fugen des Belags funktionieren kann. Stammt das Wasser von Verkehrsflächen, muss es vor der Versickerung gereinigt werden. Dafür eignen sich Filterschächte mit entsprechender Zulassung.

Aktuell erscheinen mit DWA-A/M 102 und BWK-A/M 3 technische Regelwerke zum Regenwasser-Management, deren Vorbild und Ziel die lokale Wasserbilanz ist. Gemeint ist damit das ursprüngliche Verhältnis von Versickern, Verdunsten und oberirdisch Ableiten am jeweiligen Ort. Sind beispielsweise vor einer Bebauung 30 % des Niederschlags versickert und 60 % verdunstet, soll das auch nach Fertigstellung von Gebäuden, Grün- und Verkehrsflächen so sein.

Und bei 10 % oberflächigem Abfluss in einem Bachlauf soll auch der nach Fertigstellung eines Stadtquartiers wieder vorhanden sein. Um beim Entwurf eines Bebauungsplanes die Prozentsätze festlegen zu können, brauchen Stadtplaner ein bundesweites Kataster der ursprünglichen Wasserbilanz. Mit dem Hydrologischen Atlas Deutschland (HAD) sind die benötigten Werte mittlerweile kleinräumig verfügbar. Zugleich bieten die Kataloge der Hersteller Angaben zur Versickerungs- und Verdunstungsleistung ihrer Produkte und Systeme an.

Bildquelle: Mall